Lukas 11,1-4(13) Das Gebet « Vater ! » Von Gott zu Gott

Mit Lukas 11,1-4(13) stehen wir vor zwei grundsätzlichen und sehr aktuellen Fragen : der Rolle des Gebets und Gott als Vaterfigur. In unserem Text werden die zwei miteinander verbunden.

« Vater,

Dein Name werde geheiligt, Dein Reich komme.

Das Brot, das wir nötig haben, gib uns Tag für Tag.

Und vergib uns unsere Sünden ;

denn auch wir vergeben jedem, der an uns schuldig wird.

Und führe uns nicht in Versuchung. » (Zürcher Bibel)

Von Gott, « Vater ! » (Vokativ),

seinem Namen (seiner Realpräsenz) und seinem Reich (seiner « Virtualpräsenz ») (11,3),

gelangen wir zu Brot, Schuld und Versuchung (11,4),

der « Condition humaine par excellence ».

Dort wo in unserer Bibel « Versuchung » steht, spricht André Chouraqui von « épreuve »1, also Prüfung, Erleiden. Dies führt uns zum Gebet :

 Von Gott zu Gott,

unserem Gebet, « Vater ! »,

der Gottverlassenheit,

wieder zu Gott hin.

Ich setze unser Gebet, das « Vater » (bei Lukas nicht « Unser Vater », sondern « das Vater ! »), in einen weiteren Zusammenhang,

von Gott, als « Vater ! » (Lukas 11,2),

über « Vater ! Wenn du willst … » auf dem Ölberg (22,42),

zum « Vater ! », am Kreuz (23,46).

Mit Matthäus erscheint, als « negative » Epiphanie (der Manifestation von Gottes Abwesenheit),

« Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen ! » (Matthäus 27,46)

der Psalm 22 im Gebet Jesu, als ganzes gebetet die Erhörung « des Elenden Elend », sein « Schrei » (22,25)

mit seiner (wundersamen) Wendung, – von der wir eigentlich nicht wissen woher sie kommt, wenn nicht vom Glauben -, in Vers 22 und 23 :

« Du hast mich erhört. Ich will deinen Namen … verkünden »,

« essen und satt werden », « aufleben … für immer » (22,27)

und das finale Ende « Denn des Herrn ist das Reich, und er herrscht … » (Psalm 22,29).

Hiermit haben wir das Gerüst des jüdisch-christlichen Gebets,

von Gott,

zu uns,

zu mir (Ich-Du-Beziehung ; « abba »),

zu allen,

zu Gott,

als Klage- und als Lobgebet :

« Er hat es vollbracht. » (Psalm 22,32)

Nun ist die Gottverlassenheit der Schlüssel zum Verständnis von Gott als Vater.

Denn die Mutter kann nicht (ver)lassen (auch wenn eine Mutter es könnte ; cf. Jesaja 49,15) ; auf sie verlässt sich der Mensch immer, was sich in manchmal tragischer Weise bei Menschen mit geistiger Behinderung immer wieder zeigt. An der Liebe der Mutter kann kein Zweifel bestehen. Doch der Vater kann verlassen, und er tut es auch, zu oft. Und hier setzt der Glaube an :

Als Vater muss Gott als Gott bestehen. Als Vater, nicht als Mann2 !

In unserer Gottverlassenheit bitten wir Gott als Vater da zu sein ; in seiner Funktion als Mutter ist er da. Die Mutter ist immer da, auch wenn sie abwesend ist.

Mutter ist Dasein ; Vater Sehnsucht nach Dasein und der Anerkennung meines Daseins3.

Armin Kressmann 2013

1  André Chouraqui ; Loucas, Evangile selon Luc ; JClattès, 1993

2  Was nicht nur in der feministischen Debatte von Bedeutung ist, sondern auch und besonders in den verschiedenen Konstellationen der heutigen Familien (von traditionell, über Klein- oder Grossfamilie, zu monoparentaler, Puzzlefamilie oder gleichgeschlechtlicher Familie).

3  Was sich existentiell in menschlicher Verletzlichkeit und menschlicher Fähigkeit spiegelt („vulnérabilité et capabilité“).

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